Vincent Wolfsteiner

Sänger Homepage

Month: May, 2013

Höllentour Erster Teil

Ahhh… on the road again !

Alte Routine – Mietwagen von muffiger Tante abgeholt, ihre alberne Bemerkung “bitte nur gravierende Schäden nachtragen lassen” überhört (seitdem Sixt minutiös seine Schäden in Cash bei den Kunden verwandelt, melden die natürlich jeden Dreck – und das ist Riesenarbeit für die Mädels), dann zurück nachhause.

Ich hab für neun Tage mal wieder Gepäck für eine mittlere Auswanderung dabei – alles von der I Pod Dockingstation, über zwei Garnituren Sportzeug je für drinnen und draußen, mindestens einen Kasten Evian, zehn gebügelte (heute – ich – selber) Hemden, sauber zusammengelegt, drei dicke Notenbücher (das wichstigste – Fidelio – natürlich vergessen) Probenklamotten, Anzug, Aufführungsrucksack mit Gatorade, Eiweißpulver, Emser Halspastillen mit Menthol, zehn Unterhosen (wem jemals ein Unglück passiert ist, weiß, daß immer eine zuviel dabei ist), die DVD der Geraer Produktion von Manon Lescaut und drei Büchern usw. usw.

Warum das ganze ?

Also: morgen ist hier in Altenburg eine Nachmittagsvorstellung Wallenstein. Dafür braucht’s das erste Notenbuch, den Aufführungsrucksack und Emsers. Dann fahre ich nach der Vorstellung noch nach Gera, um mir am nächsten Morgen mit der Regieassistentin die DVD der Geraer Produktion von Manon Lescaut anzuschaun und für meine eine und einzige Vorstellung im Mai die offenen Fragen zu klären – dafür braucht’s das zweite Notenbuch. Dann wird nach Dessau gefahren um die Wiederaufführung von Fidelio zu proben (dafür hab ich’s Notenbuch vergessen). Da hab’ ich seit zwei Jahren nicht mitgemacht, werde für’s Gastspiel in Schweinfurt aber natürlich gebraucht. Also muß um 16:30 erstmal das Kostüm angepasst werden. Als ich die Produktion 2008 zum erstenmal gemacht habe, hatte ich ein Körpergewicht von 126kg, jetzt wiege ich 94kg ! Danach ab auf die sympathische Probebühne II in Dessau (eine alte DDR Turnhalle hinterm Bauhaus) und die Szene wieder aufgewärmt (wäre leichter, wenn ich die Noten mitgenommen hätte). Am nächsten Morgen auch noch Probe und dann häng ich in Dessau bis Sonntag Morgen rum (vielleicht mit lustigem Ausgehen mit Kollegen am Samstag Abend ?) um im Anzug nach Hannover zu fahren und mir zusammen mit lieben Kollegen aus Oldenburg die Siegfriedpremiere dort anzuschaun. Danach hoffentlich lustige Premierenfeier mit den Freunden aus Hannover und Oldenburg. Am Montag Mittag dann nach Oldenburg, am Dienstag ist Sitzprobe (Notenbuch 3 !) weil neuer Dirigent und am Mittwoch (20. April ! – für ‘ne Hindemith Oper eigentlich ein Superdatum – dürfte aber leider Zufall sein) Cardillac Aufführung in Oldenburg. Am nächsten Tag in’s Auto und lediglich 800 km zurück nach München – so ist der Plan…

Jetzt sitze ich in der hübschen Treppengassenpension in Altenburg, trinke das liebevoll bereitgestellte Bier und warte auf die einsetzende Müdigkeit um morgen für das wahrscheinlich nicht sehr gut besuchte Stück äußerst fit zu sein !

Altenburg ist hübsch:

EINSAMKEIT

Das freie Sängerleben besteht aus drei Zeitzonen:

1. Teil einer Neuproduktion: in der Probenphase dieser Zone lebt man (ausser man ist in der außerordentlich glücklichen Position in der Heimatstadt als Gast singen zu dürfen) woanders als zuhause. Meist in einer vom Theater vermittelten, oder dem Theater gehörenden Wohnung von wechselndem Luxus und äußerst dubioser Ausstattung.In dieser Zeit fühle ich mich seltsamerweise am wenigsten einsam. Der Tag ist meist ausgefüllt mit Probentätigkeit, Spaß mit den anderen Sängern und Kollegen, oder lernen – mal ganz abgesehen vom drigend notwendigen Ruhen. Klar, die Liebe daheim fehlt mir schlimm, aber mit der Zeit hat sich Routine mit dem Chatten und dem Skypen etc. entwickelt und die Trennungsphasen können ja nun auch von Wochenendheimaturlaub unterbrochen sein. Im großen und ganzen geht’s also….

2. Viele Gastspiele an mehreren Orten zeitlich dicht gedrängt…. Jetzt wird’s schon einsamer. Meistens lebe ich in Hotels und Pensionen. Am Tag vor der Vorstellung komme ich da an, muß natürlich brav sein, das heißt nicht zuviel reden, essen und natürlich nix Alkohol und am Tag nach der Vorstellung reise ich wieder ab. Die Geselligkeit der Kollegen nach der Vorstellung hängt von deren Müdigkeitslevel ab und oft genug trinke ich mein Bier alleine. Zieht sich dieser Zustand über Wochen und gar Monate hin, nenne ich das Entwurzelungseinsamkeit.

3. Pausen zwischen den Gastspielen mit intensiver Lern – und Verwaltungsbeschäftigung zuhause…. Einsamer geht’s nimmer ! Alles wird alleine erarbeitet, tausend Sachen gehen Dir im Kopf rum. Die arme Ehefrau lebt in ihrer Berufswelt und ist oft zu müde um Deinem aufgestauten Gequassel zu lauschen… die Freunde gehen auch alle geregelter Arbeit nach und sind nicht bereit, sich die Karriere durch spontane Nachmittagsbesäufnisse zu verderben. Die brutale Selbstdisziplin, die die Eigenmotivation verlangt und die ständige innere Nervosität, die mit der künstlerischen Arbeit einhergeht, erzeugt tiefe, gefährliche Einsamkeitsgefühle, vor denen ich mich immer mehr hüten muß… diese nenne ich Heimatseinsamkeit.